Selbstorganisation junger Geflüchteter

Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz greift mit der Stärkung der Beteiligung in der Angebots- und Hilfeausgestaltung noch weiter und stärkt erstmalig die Zusammenarbeit der Jugendhilfe mit Selbstvertretungen junger Menschen. Diese Selbstvertretung kann die Mitgestaltung innerhalb von Einrichtungen bedeuten, aber auch die Mitbestimmung in kommunalen oder landesweiten politischen Prozessen. Der im Zuge des KJSG neu geschaffene § 4a SGB VIII verpflichtet die Träger der öffentlichen Jugendhilfe dazu, selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung anzuregen, zu fördern und mit diesen zusammenzuarbeiten. Aus diesem Grund rückt das Thema Selbstorganisation in der Kinder- und Jugendhilfe nun verstärkt in den Vordergrund. Die offene Formulierung des Paragraphen lässt jedoch sehr viel Auslegungs- und Gestaltungsspielräume, sodass es hier zukünftig vor allem die Entwicklung einer fachlichen Haltung braucht. Hierbei darf auch die Zielgruppe der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten nicht aus dem Blick geraten. 

Worauf ist zu achten?

Selbstorganisationen brauchen ein anerkennendes und wertschätzendes Umfeld, um ihrer Stimme Gehör zu verleihen. Es ist wichtig zu erkennen, dass Selbstorganisation keine isolierte Anstrengung ist, sondern in einem unterstützenden Umfeld gedeiht. Kulturelle Sensibilität, Empathie und ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der jungen Menschen sind hierbei entscheidend.

Was bedeutet das für Fachkräfte?

Der Kinder- und Jugendhilfe kommt die Aufgabe zu, die Selbstvertretung junger Menschen zu fördern, z. B. die jungen Menschen über ihre Möglichkeiten zu informieren und ihnen in der Organisation einer Selbstvertretung zu helfen und sie zu beraten. Zugleich sollen Vertreter*innen der Selbstvertretungen beratende Mitglieder der Jugendhilfeausschüsse sein und in gemeinsamen Arbeitskreisen mit der öffentlichen und freien Jugendhilfe mitwirken.

Fachkräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung von Rahmenbedingungen, die Selbstorganisation fördern. Dies beinhaltet das Ermutigen zur Mitgestaltung von Entscheidungsprozessen, die Schaffung von Plattformen für den Austausch von Ideen und das Bereitstellen von Ressourcen, die die Selbstbestimmung der jungen Geflüchteten unterstützen.

Was können Fachkräfte konkret tun?

Fachkräfte können durch die Organisation von Workshops, die Förderung von partizipativen Projekten und die Schaffung von sicheren Räumen aktiv dazu beitragen, Selbstorganisation zu stärken. Das Ziel ist es, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, in der junge Geflüchtete ihre Stärken und Interessen entfalten können, um nicht nur ihre eigenen Ziele zu erreichen und für ihre eigenen Interessen einzutreten, sondern auch positive Veränderungen in ihrer Gemeinschaft herbeizuführen.

Diese Rechte auf Beteiligung und Selbstorganisation gelten unvermindert auch für junge Geflüchtete. Dies bedeutet, junge Geflüchtete über ihre Rechte in einer ihnen verständlichen und wahrnehmbaren Form zu informieren (ggf. über eine Sprachmittlung) und sie zu bestärken, sich in Selbstvertretungsstrukturen einzubringen oder eigene Selbstvertretungen aufzubauen. Hierfür braucht es an erster Stelle das Vermitteln von Wissen und eine offene Haltung gegenüber den Selbstorganisationswünschen junger Geflüchteter. Beispiele bundesweiter Selbstvertretungen, die z. T. auch Regionalgruppen anbieten, sind der Careleaver e.V. und Jugendliche ohne Grenzen.

Weiterführende Links

Jugendliche ohne Grenzen ist ein bundesweiter Zusammenschluss von jugendlichen Flüchtlingen, der sich 2005 gegründet hat. Die Arbeit folgt dem Grundsatz, dass Betroffene eine eigene Stimme haben und keine Betroffenen-Politik benötigt, die stellvertretend für sie spricht. „Wir entscheiden selbst, welche Aktionsformen wir wählen, und auch, wie wir diese durchführen“ wird auf deren Homepage gesagt. Bedarfe und Forderungen werden in Form von Kampagnen, Konferenzen und kreativen Aktionen in die Politik und Öffentlichkeit getragen.

Hier geht’s zur Website von Jugendlichen ohne Grenzen

 

Der Careleaver e.V. – eine bundesweite Interessenvertretung von jungen Menschen, die in einer Einrichtung oder Pflegefamilie aufgewachsen sind – ist ein Verein, der für die Interessen und Belange junger Menschen einsteht und sie auf politischer Ebene vertritt.

Der Verein bietet darüber hinaus Workshops und Vernetzungstreffen an, eine tolle Gelegenheit für junge Menschen, um miteinander in den Austausch zu treten und über Erfahrungen aus der Jugendhilfe zu sprechen.

Hier gelangen Sie zur Webseite.